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Eine Frage des richtigen Niveaus

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Im Laufe der Jahre stellt sich fast unweigerlich eine Betriebsblindheit für die Dinge ein, denen man in seinen täglichen Routinen ausgesetzt ist. Da ist es gut, wenn Neulinge unvoreingenommen die Abläufe in Frage stellen. In diesem Blog zum Beispiel wundert sich ein Umfrageteilnehmer über folgende Skala:

Oft genug stolpert man im Berufsalltag über ähnliche Fragen, und so wirkt diese Skala für einen Marktforscher auf den ersten Blick vielleicht beinahe bedenkenlos. Deshalb ist die folgende Kritik interessant:

Wer sagt mir denn jetzt, wie die neun Schritte zwischen täglich und nie heißen? [...] Wöllte man diese Umfrage also ganz ehrlich beantworten, müsste man schätzen ob die Häufigkeit des eigenen Lebensmitteleinkaufs eher gegen “täglich” oder gegen “nie” tendiert, und sich dann für eins von beiden Entscheiden. Würde man einen Wert dazwischen angeben, würde man immer automatisch lügen bzw. zu großen Ungenauigkeiten unterliegen. Und wer geht denn schon “nie” einkaufen, es sei denn, der Partner muss immer losstiefeln?

Das ist natürlich vollkommen richtig beobachtet: Wenn “nie” in der Wirklichkeit auch nie zutrifft kann man sich vernünftigerweise auch nichts darunter vorstellen. Damit werden aber auch alle Zwischenschritte unvorstellbar. Der Skalierung fehlt die Skala.

Es lohnt sich, den Blick zu schärfen: Die Einkaufshäufigkeit ist metrisch skaliert. Sie kann (theoretisch) jeden Wert zwischen “Immer” und “Nie” annehmen. Insofern könnte man die Antworten auch in der Auswertung als metrisch skalierte Daten behandeln und gleich entsprechend (z.B. mit einer offenen Abfrage) erheben. So, wie die vorliegende Frage jedoch gestellt ist, liegen die Daten am Ende nicht metrisch vor – d.h. fast nicht: In der Praxis werden Likert-Skalen als metrisch skaliert behandelt, wenn die Antwortmöglichkeiten als äquidistant wahrgenommen werden können. Dies trifft hier nach geltenden Maßstäben der Fragebogenkonstruktion sogar zu:

  1. Die Schattierung im Hintergrund visualisiert die fließenden Übergänge zwischen den Skalenendpunkten.
  2. Die fehlende Beschriftung der Zwischenpunkte schließt aus, dass die gleichmäßigen Bedeutungsabstände zwischen den Antwortmöglichkeiten durch eine ungenaue Formulierung gefährdet werden.

Nichts desto trotz, Likert-Skalen bleiben ordinalskaliert, selbst wenn man sich wirkungsvoll der Illusion hingeben kann, man hätte es noch mit metrischen Daten zu tun. Und genau an diesem Übergang zeigt sich das Problem. Es scheint, dass man bei der Konstruktion des Fragebogens schon das diskrete Format der Variable im Kopf hatte, das man zur Auswertung benötigt. Und so wurde das eigentlich metrische Merkmal leichtfertig zu einer Likert-Skala im Ordinalniveau degradiert. Nur der Sinn ist dabei irgendwie verloren gegangen.

Letztlich könnte wohl niemand erklären, warum man die Einkaufshäufigkeit mit einer Likert-Skala dieser Form abfragen sollte. Vielleicht deshalb, weil man es schon immer so getan hat? Dann ist es gut, wenn man von aufmerksamen Umfrageteilnehmern wieder wach gerüttelt wird…


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